Über den Strukturwandel im Abomarketing – Dieser Artikel erschien im dnv – der neue vertrieb,
„Das waren noch Zeiten! Wie hat sich die Welt verändert!“ Sätze, die an Gespräche mit den Großeltern erinnern, fallen heutzutage immer häufiger wenn sich die Abowerber der Verlage austauschen. Welche Zeiten, welche Veränderungen sind gemeint?
Fangen wir bei den Kunden an, denn darum dreht sich alles im Direktmarketing. Die Kunden lesen nach wie vor bedrucktes Papier. Bestimmte Kundengruppen abonnieren auch nach wie vor Zeitungen und Zeitschriften. Was sich aber geändert hat, das sind die Werbekanäle, auf denen die Kunden erreichbar sind. Noch vor fünf Jahren wurden Abonnenten für Zeitungen und Zeitschriften überwiegend mit gedruckter Werbung gewonnen. Die Hauptwerbeträger waren Anzeigen und Blow In-Cards in den Heften, gerne auch mehrseitige Beilagen in anderen Print-Werbeträgern und Mailings, zugestellt durch die Post. Heute erreichen die Verlage ihre Abonnenten nicht mehr auf gedrucktem Wege, sondern im Wesentlichen online. Auf Aboanzeigen reagieren die Kunden nur noch sehr schwach. Die briefliche Werbung ist für die meisten Titel viel zu teuer geworden. Das moderne Direktmarketing bedient sich neuer digitaler Werbe-Möglichkeiten wie SEO, Affiliate oder Email-Marketing um Interessenten auf ihre Shops und Landing Pages zu lenken. Heute muss sich der Direktmarketer auskennen mit dem Content Management System seines Abo-Shops, um seine Angebote zu pflegen, mit Google AdWords, um Keywords zu buchen, und mit Google Analytics, um die Visits auf seinen Seiten zu analysieren. Auch Begriffe wie Click-Trough-Rate, Verpixelung, Deep-Link, Retargeting oder Page Impression sind keine Fremdworte, sondern Bestandteil der Aufgabenstellung.
Die Direktmarketing-Kollegen berichten, dass mittlerweile 50-60 Prozent des Responses über die Online-Shops eintreffen. Nur noch 15 bis 25 Prozent der Neu-Abonnenten bestellen über die Heftwerbung. Das Verhältnis zwischen Online und Print hat sich innerhalb weniger Jahre umgekehrt. Heute dominiert Online das Abomarketing. Das Paradoxe an der Situation ist, dass das Direktmarketing der Verlage heute schon mit beiden Beinen in der Online-Welt steht, aber Mithilfe dieses Mediums weit überwiegend Print-Produkte vertreibt.
Drei Thesen zu den aktuellen Herausforderungen:
Online führt
Die Direktmarketing-Organisation muss sich auf das Online-Marketing konzentrieren. Dieser Kanal bietet viele Chancen. Angebote und Optimierungen gilt es zuerst online im Shop zu testen, durch A/B-Tests oder durch zeitliche Staffelung. Daraus abgeleitet werden anschließend die besten Angebote im Heft veröffentlicht. In der Praxis läuft es häufig noch umgekehrt. Das Abomarketing arbeitet von Ausgabe zu Ausgabe und pflegt die Online-Angebote im Anschluss an die Heft-Erscheinungen.
Von erfolgreichen Online-Anbietern lernen
Den alles beherrschenden E-Commerce betreiben heute Internet-Größen wie amazon, zalando, ebay oder die Online-Banken. Die Art und Weise wie diese Direktvermarkter ihre Produkte bewerben, in ihren Shops präsentieren bzw. die Transaktionen abwickeln, prägt das Kundenverhalten, schafft Vorbilder und bietet eine Reihe von Adaptions-Möglichkeiten für das Verlagsabo-Direktmarketing. Beispiele sind die Upselling-Empfehlungen von amazon („Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch …“), das im Online-Versand mittlerweile selbstverständliche „Erst bezahlen, dann liefern-Prinzip“, welches sich auf die Bankeinzugs-Bewerbung übertragen lässt oder die Gutschein-Incentivierung innovativer Versender wie zalando. Und vom Online-Banking lassen sich eine Reihe von Mechanismen in modifizierter Form übernehmen, um Neu-Abonnenten vom Start weg, an den – für die Verlage viel kostengünstigeren(!) – Online-Kundenservice zu gewöhnen. Dazu gehören Brief- und Rechnungsversand über E-Mail und das Lenken von Kundenanfragen auf ein Serviceportal mit FAQ und Foren. Einige Online-Anbieter gehen mittlerweile soweit die Email-Kommunikation mit Ihren Kunden zu unterbinden und eine telefonische Beratung nur „mit Zuzahlung“ anzubieten.
Fokus Shop-Conversion
Nachdem das Online-Marketing in seinen Pionierjahren den Schwerpunkt auf die Generierung von Shop-Besuchern legte, rückt aktuell die „Conversion“ in den Vordergrund (Anteil Besteller an den Besuchern). Wenn man bedenkt, dass nur 7-12 Prozent der Shop-Besucher am Ende auch ein Abonnement bestellen, dann wird klar, welche Potentiale hier noch schlummern. Zukunftsgerichtete Verlage und Dienstleister haben bereits mit der kontinuierlichen Analyse und Optimierung Ihrer Bestellseiten begonnen. Wieder ein neues Feld, welches Beachtung erfordert und die Kapazitäten des Direktmarketings zusätzlich bindet. Im Einzelhandel oder im Telefonmarketing gehört die Conversion schon lange zum Kern der vertrieblichen Aufgaben, nur die Begrifflichkeit ist dort eine andere.
Das Direktmarketing der Verlage stellt sich großen technischen und organisatorischen Herausforderungen. Der Wandel im Kundenverhalten und die Innovationsgeschwindigkeit der Online-Technik haben ein hohes Tempo angenommen. Aber es gilt die Chancen zu nutzen. Wenn Anzeigen- und Auflagen-Rückgänge weiter so schnell voranschreiten, werden die Verlage gezwungen sein ihre heute noch kostenlosen Online-Auftritte zu differenzieren und die Nutzung des Premium-Contents nur gegen Bezahlung, und das vorzugsweise in Form von Abonnements, anzubieten. Auch gilt es diese Online-Contents im Verbund mit den Print-Titeln zu vermarkten. Die Voraussetzungen dafür sind nicht schlecht, denn das Direktmarketing verfügt über viele Erfahrungen im Online-Marketing.
Die Organisationen werden die zusätzlichen Aufgaben aber nur bewältigen können, wenn dem Wandel durch organisatorische Anpassungen aktiv begegnet wird. Die Werbeweg-Analyse hilft bei der Bestandsaufnahme und weist den Weg für eine Neuausrichtung der Organisation, der Abläufe und Standards. Auch hier lassen sich in der Praxis erfolgversprechende Maßnahmen beobachten: Vereinfachung, eventuell Auslagerung der arbeitsintensiven Heftwerbung, Einführung von Baukasten-Systemen für wiederkehrende Print-Schaltungen oder die Bildung von Kompetenz-Teams. „Online killed the Paper Star“, aber Online bietet auch viele Chance. Es gibt – mal wieder – viel zu tun im Abomarketing. Packen wir es an!